Urheber | Emil Meerkämper (Photo) & Leo Keck (Gestaltung) |
Druckjahr | 1938 |
Blattgrösse (cm) | 101×64 |
Drucktechnik | Offset |
Druckerei | Gebr. Fretz |
Zustand | A |
Angebotspreis | 1'700 CHF |
Kategorien | Graubünden, Schweiz, Tierisches |
Auf den ersten Blick ein liebliches Davos-Plakat, denn wer findet schon ein Bambi nicht niedlich? Auf den zweiten Blick indes ein, nun ja… Machwerk trifft es ganz gut. Eines zudem, das hinsichtlich der Datierung einige Rätsel aufgibt: Als Druckjahr wird nämlich immer 1935 oder 1953 ausgewiesen. Eine ungewöhnlich grosse Diskrepanz, was die Vermutung zulässt, dass die Ursache ein simpler Vertipper in grauer Vorzeit war, der dann von anderen übernommen und kolportiert wurde.
1935 dürfte eher hinkommen, wird aber auch nicht korrekt sein, da Leo Keck, der hier fürs Kolorit und wohl auch den Entwurf zuständig war, erst Ende 1937 bei der Druckerei der Gebrüder Fretz als Hausgraphiker anfing. Zuvor war er in selber Position beim Zürcher Konkurrenten Wolfensberger, was ausschliessen dürfte, dass das Blatt vor 1938 gedruckt wurde.
Was andererseits für ein Entstehungsjahr nach dem 2. Weltkrieg spräche: Es handelt sich zweifellos um einen Offsetdruck. Zwar schafften die Gebrüder Fretz bereits 1921 eine Offset-Maschine an, doch kam diese – wie in der Schweiz üblich und im Gegensatz zur Entwicklung in Deutschland, Italien oder den USA – jahrzehntelang ausschliesslich für Kleinformatiges zum Einsatz. Auf Photographien basierende Plakate entstanden hierzulande vielmehr bis weit in die 40er-Jahre hin und wieder als Lithographie, meistens aber im Tiefdruck. Offset kam in diesen Fällen erst um 1950 herum zum Einsatz. Also doch 1953 gedruckt?
Ziemlich sicher nicht, da das Plakat auf der Montage einer Aufnahme von Emil Meerkämper basiert. Das passt insofern in die zweite Hälfte der 30er-Jahre, als damals in der Schweiz die ersten Plakate auftauchten, die Walter Herdeg sowie insbesondere Herbert Matter mithilfe eines oder gar mehrerer bearbeiteter Photos entwarfen – ein hierzulande neuer Ansatz, der überaus frisch und modern wirkte, für entsprechendes Aufsehen sorgte und damit Begehrlichkeiten anderer Werbetreibender weckte.
Das schliesst ein Entstehungsjahr nach 1950 nicht aus, nur (und hier sind wir wieder beim zweiten Blick): Bei diesem Davos-Plakat haben sich die Macher überschätzt respektive die Schwierigkeiten der Photomontage hinsichtlich Fokus, Perspektive und Detailtreue derart kapital unterschätzt, dass es sich um eine unbeholfene Arbeit aus der Frühzeit dieser Stilrichtung handeln muss. Das Rehkitz etwa scheint wie ein Fremdkörper über der Blumenwiese zu schweben. Oder der eine, riesig aufragende Bärenklau: Die Proportion stimmt weder in Bezug auf die Blümchen im Vordergrund noch in Bezug auf das Reh. Was zur Vermutung führt, dass Keck Emil Meerkämpers Aufnahme der Landschaft mit dem Bauernhaus am Gemsberg (links) um eine nicht besonders sorgfältig ausgewählte Aufnahme einer blühenden Sommerwiese ergänzte (rechts), ehe er zwecks Blickfangs auch noch das Photo eines Rehleins hineinzwängte.
Alles in allem dürfte es so gewesen sein, dass Leo Keck resp. die Druckerei hier Ende der 30er-Jahre einen Versuch wagten, um Erfahrungen zu sammeln: einen Versuch mit der Photomontage wie auch mit dem Offsetdruck. Ein Unterfangen, das hinsichtlich der Montage und vor allem aufgrund des Anspruchs, diese nicht als solche erkennbar werden zu lassen, gründlich schief ging. Wieso die Verantwortlichen des Verkehrsvereins Davos den Entwurf trotzdem ausführen liessen, bleibt ihr Geheimnis.
Emil Meerkämper übrigens, der 1900 als junger Ingenieur aus dem Ruhrgebiet nach einem Kuraufenthalt in Davos blieb und zu einem der Pioniere der Schweizer Landschaftsfotografie wurde, starb 1948. Nun wäre es prinzipiell natürlich möglich, dass nach seinem Tod eines seiner alten Photos verwendet wurde; allerdings handelt es sich bei der Aufnahme ja nicht um ein berühmtes Meisterwerk, es wären also zweifellos reichlich Alternativen vorhanden gewesen. Und mit rechtlichen Fragen hätte sich auch niemand herumschlagen müssen.
Und nun?, ist die Welt jetzt besser? Eher nicht. Aber wer Originale Plakate mag oder einen Sinn für Wirtschaftsgeschichte und die Werbeindustrie hat, schätzt womöglich solch einen Einblick in den Hintergrund und die Bedingungen, unter welchen Gebrauchsgraphik entstand. Was nicht bedeutet, dass es angesichts dieser Ausführungen einfacher geworden ist, einen Käufer für dieses Plakat zu finden. Drum zum Schluss: All die Vermutungen und Spekulationen ändern nichts daran, dass es sich um ein sehr, sehr herziges Blatt handelt – ideal fürs Kinderzimmer, zum Beispiel.
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